Eine Dame ist mir in Erinnerung geblieben. Sie ist total
niedlich und extrem durcheinander. Ich mag es, neben ihr zu sitzen, oft sogar
kniend und ihre Hand zu halten. Diese kleine Hand. Und dann mache ich einen
Witz oder singe mit ihr ein Lied. In ihrer Jugend ist sie viel gewandert. Ich
als Jungspund kenne natürlich nicht alle Wanderlieder, aber an die Zeile „Bis
er kommt nach Innsbruck rein, Wo man trinkt Tiroler Wein“ konnte ich mich noch
gut erinnern. Die Dame kommt aus Tirol. Wir haben uns sofort verstanden. Jedes
Mal wenn ich sie morgens wecke, glaubt sie, mich wiederzuerkennen. Doch bringt sie
in ihrer Erinnerung alles durcheinander. Einmal meinte sie, in mir jemanden
wiederzuerkennen, der mit ihr damals eine Wandertour zu den traditionellen
Kirchen in der Nähe von Bozen gemacht hat.
Es besteht immer die Gefahr, sie zu verunsichern oder sogar zu
ängstigen. Das passiert immer dann, wenn man zu schnell mit ihr redet oder sie
nicht bei allen Dingen, die sie macht, begleitet und regelmäßig nach ihr sieht.
Sie braucht Zuneigung. Nicht jeder Mensch braucht das. Einige Damen und Herren,
so glaube ich, wollen nicht, dass man sich fortwährend bei ihnen im Zimmer aufhält.
Sie wollen den Standard-Talk während des Eincremens und Anziehens. Mehr jedoch
nicht. Aber die Dame, von der ich hier
spreche, braucht Zuneigung. Sonst verliert sie das Gleichgewicht, physisch und
psychisch. Nur Zärtlichkeit kann ihr helfen, nicht ängstlich auf ihrem Bett zu
sitzen und zu versuchen, ihre Sachen einzupacken. Zuneigung kann ihr helfen,
sich zu den anderen Damen an den Tisch zu setzen, wo man ihr beim Essen helfen
sollte, auch wenn sie es eigentlich alleine kann – nur um sich mit ihr über das
schöne Südtirol zu unterhalten.
Weitere Berichte eines Krankenpflegers aus einem Altenheim findet Ihr in Zukunft unter
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