Montag, 10. November 2014

Albumkritik - Live - The Turn

Das typische Sänger-dreht-durch-Drama so vieler guter Bands: Live mussten sich acht Jahre nach dem letzten Album nach einen neuen Frontmann umsehen. 

Und sie müssen es jetzt allen beweisen: Dem Ex-Frontmann Ed Kowalczyk, mit dem sie schon im Rechtsstreit lagen, den Radiostationen, die keinen 90er-Jahre-Rock mehr spielen wollen und ihren Fans, die einen Befreiungsschlag erwarten. Der soll nun mit "The Turn" erfolgen.
Bild: loudwire.com
Doch wer kennt eigentlich noch Live? In den 90er Jahren waren sie eine der größten US-Rockbands, verkauften Millionen Tonträger und hatten einen Sänger, der fortwährend nach einem Weg suchte, den Erfolg zu verarbeiten. Eddie Vedder zieht solo umher, um dann pünktlich alle vier Jahre mit der alten Mutti peral jam ein Album aufzunehmen und eine Tour zu machen, Ed Kowalczyk wurde zu einem Liederdichter mit messianischem Eifer. Seine Ex-Band suchte nach einem Frontmann, der sie zurück in das Feeling der guten alten 90er- Jahre bringen sollte. Und sie fand Chris Shinn.
Der Neue: Chris Shinn [foto: freaks4live.com]
Shinn sang zuvor für die zumindest in Deutschland unbekannte Formation "Unified Theory". Nun stimmt er gleich zu Beginn des neuen Live-Albums "Turn" die düstere Nummer "Sirens" an. Die Richtung ist klar: Weg vom Kuschelrock des Vorgängerwerkes "Songs from The Black Mountain" (2006), das ganz stark die Handschrift Kowalczyks trug.

Songs wie "He could teach the Devil Tricks" sind gelungen und knüpfen an die alten Klassiker von "Secret Samadhi" /1997) an, erreichen jedoch nie deren Tiefe.

Dafür steht auch "Don't Run"

Eine Ausnahmestellung nimmt die neue Single "The way around is through" ein. Nur hier scheint man den Einfluss des Produzenten Jerry Harrison (Talking Heads) heraushören zu können.

Ein Video wurde noch nicht gefunden. Jedoch zur neuen BUSH-Single "The only way out is through". Ist ja fast dasselbe:



Live ist ein solides Stück Musik für die sogenannten "90er-Grunger" gelungen. Eine Steigerung ist möglich. Das haben sie auf ihrem Ausflug namens "The Gracious Few" mit dem Candlebox-Sänger Kevin Martin 2009 bewiesen. Der war eindeutig fetziger als ihr jüngstes Machwerk. Aber wir stehen hoffentlich erst am Anfang einer neuen großen Zeit für unsere Helden der Jugend.

Hoffentlich...

Freitag, 4. Juli 2014

Ich bin ein bisschen besorgt um die erste Reihe.

Pearl Jam Live
26.06.2006 Berlin - Wulheide

An diesem Abend gibt es keine Vorband, die Leute sind pünktlich da, Konzert fängt trotzdem eine Stunde zu spät an, um dann drei Stunden zu dauern: Von 20:00 bis 23:00 Uhr PEARL JAM live in der Berliner Wulheide.
Kompletter Mitschnitt - Definitiv nicht in HD, gibt jedoch einen kleinen Überblick über das was an diesem Abend in der Erich Honecker-Zeit nicht möglich gewesen wäre:

Gesteht es doch - Ihr hattet pearl jam schon ein bißchen vergessen. Viele kennen eh nur die "TEN" mit "Jeremy, "Alive", vielleicht noch "Rearviewmirror" oder "Given to fly". Nach dem 1998 er Album "Yield" haben sich die "Altrocker" aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. "Binaural" und "Riot Act" waren eher Ladenhüter im Vergleich zu Frühwerken wie "TEN" oder "Vs." Doch obwohl ihr Mainstream-Profil gar nicht mehr auf Facebook erschien, weil sie zu Beginn der Zuckerberg-Ära schon die 10 Millionen CD's pro Album hinter sich gelassen hatten und sich abseits vom Internetquatsch einen neuen Sound zuzulegen begannen. Gleichzeitig erwuchs ihnen ein fanatischer Kult um ihre Band. Heute füllen sie an zwei oder drei aufeinanderfolgenden Abenden Arenen in Nord- und Südamerika. Tausende eingefleischte Fans reisen hunderte von Kilometern, um alle Lieder Wort für Wort mitzusingen. Sie nenne sich selbst die "Jamily".
Eddie Vedder selbst kann sich nicht erklären, woher diese Fanbegeisterung kommt: ''You don't really set out for that to happen. But I think it's kind of the ultimate compliment.'' 
Pearl Jam (live in Berlin, 2014)

Berlin Wulheide, am 26. Juni 2014. Es hat tagelang geregnet. Es bleibt bewölkt obwohl kein einziges Tropfen fällt während pearl jam spielen. Die Jamily , ganz vorne hätte sich am Ende wahrscheinlich gewünscht, es hätte geregnet. Zum Glück gab Eddie Vedder ganz viele Becher mit Wasser aber natürlich auch eine Flasche Wein für sie aus.

  1. Viele waren natürlich wegen "ihm" hier. Nicht umsonst hört man auch viele "Eddie"-Rufe. Der Sound ist sehr gut. pearl jam treten hier alle zwei Jahre auf. Ein Heimspiel. Da kann man es auch mal etwas ruhiger angehen lassen, um die Jamily zusammenzurufen. 
  2. Vom Album "No Code". Spätestens zu dieser Zeit wandten sie sich damals vom klassischen Rock der 1990er ab. Der Schlagzeug-Sound Matt Camerons kommt bei der Liveshow wesentlich mehr zu Geltung als auf den Alben.
  3. Go
  4. Man gewinnt den Eindruck, als würden alle 17000 Zuschauer, angeordnet wie in einem antiken Kolosseum in der ausverkauften Wulheide das Gitarrensolo mitsingen. Diese Stelle konnte man nachher auch bei der Heimfahrt in der Bahn viele Fans singen hören.
  5. Die Emotionen der Fans kochen fast über. Nach dem Song bittet Eddie nun zum zweiten Mal darum, dass alle drei Schritte von der Bühne zurücktreten (Minute: 43:20). Die Band ist traumatisiert. 2000 sind bei einem Festival in Dänemark neun Fans vor der Bühne gestorben. Sie verloren auf dem matischigen Untergrund den Halt, stürzten zu Boden, wurden niedergetrampelt oder erstickt. Eddie ist also zu Recht besorgt. Er vehindert nicht die brachiale Wucht der Lieder, passt jedoch genau auf, was vor ihm passiert und ruft immer wieder dazu auf, aufeinander Rücksicht zu nehmen. 
  6. (Improv with the audience)
    Eddies Kinder und die des Gitaristen Stone Gossard lieben den song "Let it go" aus dem Oscar-prämierten Disney-Film "Frozen". Im Netz findet man Mitschnitte des Liedes gesungen von Vedder oder Stone. Wir leben nicht mehr in der Kurt Cobain-Ära. Die Kinder reisen mit. In Italien war Eddie vor dem Konzert mit der Familie shoppen. 
  7. (Idina Menzel cover) (Only the first 2 lines from more)
    Stone möchte nicht singen. 
  8. Der offizielle Höhepunkt des Abends.  
    Foto: http://www.ampya.com/news/Live/So-war-s-bei-Pearl-Jam-in-Berlin-EN100168/
  9. (Van Halen cover)
  10. Encore:
  11. (Eddie Vedder song)
  12. Der wahrscheinlich beste Stimmungsmoment des Konzerts. Ohnehin eine komplizierte Frage. Jeder setzt andere Maßstäbe. pearl jams Fähigkeit besteht eben daraus, verschiedene Maßstäbe zu setzen und dann auch zu erfüllen.  
  13. Die Frage ist, ob pearl jam je einen noch schnelleren Song als Porch geschrieben haben. Spätestens jetzt hält es keiner mehr in der Jamily-Menge vor der Bühne aus. Ich unterstelle einfach, dass an diesem Abend vor der Bühne bei einem von Mike Mc Creadys gespielten Gitarrensolo die einzige Möglichkeit zur Erholung in einem immer weiter vorpreschenden Speed-Rock-Song gab. Die Fans sind am Ausrasten. 
  14. Encore 2:
  15. (Ramones cover)
  16. (Neil Young cover)
pearl jam haben eine Reise vom "Megstardom" zum "Cultdom" hinter sich, die anders als bei ähnlichen bands in diese entgegengesetzte Richtung verlief.Man hatte sich für längere Zeit zurückgezogen,  ''We had to take it back,'' sagte einmal Mike  McCready, ''because we were all gonna lose our minds". Nun hat wohl ihr Mind und vor allem das des Eddie Vedder seinen Frieden mit den Status als gigantische Independentband machen können. Sie kamen nach Berlin, um in "ihrer" Wulheide ein Fest mit den Fans zu feiern.

Freitag, 21. März 2014

Der Ort ist kein handelndes Subjekt



Tino Hanekamp im Gespräch mit Sven Regener
Weltbühne, 3sat

 „Was ist das denn hier für eine unspezifische Frage?“

„Ich  weiß, dass die Menschen Angst vor mir haben.“

„Wir sind wie eine Familie – So’n Quatsch! Hier ist niemand wie meine Mutter. Also was soll der Quatsch?!“

Tino Hanekamp ist ein eloquenter Gesprächspartner. Ein Interview ist es nicht. Regener erzählt über das Glück, welcher er hatte, trinkt einen Kamillentee, später ein großes Bier, macht den Kotzbrocken und den interessierten Freigeist. Er sieht sich als Rocker und stampft den jungen Nachfrager zusammen. Tino Hanekamp, Kneipenbesitzer und bekennender Raucher, unterhält sich mit Menschen, „die was zu sagen haben“. Sven Regener hat auf jeden Fall etwas zu sagen. Der Sänger von Element of Crime und Autor des Erfolgsromans „Herr Lehmann“  hat vor30 Jahren mit dem Rauchen aufgehört und filmt gerade zusammen mit Leander Hausmann etwas zwischen Hai-Drama und Bürgerposse am Berliner Müggelsee.

„Die Geschichte von Leuten interessiert mich mehr als die von Orten. „

„Der künstlerische Erfolg ist nicht messbar.“

Video unter:
 

Freitag, 14. März 2014

Eddie canta en Espanhol

pearl jam en vivo en Argentina - Costanera Sur - 3. April 2003

58. Minute - Eddie Vedder singt Spanisch
1h und 03 min - ... und ist sichtlich berührt von der Begeisterung der Fans

Montag, 20. Januar 2014

DÄ live!

 DIE ÄRZTE -Komplettes Konzert - live aufgenommen bei
Rock am Ring 2007

Eine enthusastische Menschenmenge auf dem Nürburgring.
Die Ärzte beginnen mit "Du bist nicht allein". Ein Mitsingsong mit schönen Momenten, jedoch insgesamt etwas langatmiger als die älteren Lieder vor dem Doppelalbum "Geräusch" (2003).
"Runter mit den Spendierhosen", bei diesem Konzert übrigens unterrepräsentiert, markierte das Ende der besten, weil künstlerisch und  gemeinschaftlich hellblausten und flauschigsten Zeit der 
BESTEN BAND DER WELT
Foto: http://www.dasding.de
Als zweites Lied: Hurra! Das Schlagzeug ist druckvoll und breit, der Bass wie gewohnt wummernd und präzise. Farin Urlaub behauptet, er könne schlechter Gitarre als der in der Rolle des Bassisten agierende Roodrigo Gonzalez spielen. Dessen Eltern sind vor der chilenischem Militärdikatur Pinochets nach Deutschland geflohen. Farin spielt jedoch auch sehr gut Gitarre - sicher nicht, und das ist dem Punk geschuldet, sehr subtil - jedoch mit einem guten breiten Sound und gleichzeitig klaren Melodien.
Auch wenn jedes Ärzte-Konzert, genau wie dieses, in einer reinen Mitsingflut mündet, müssen sich BelaFrainRod erst einmal warm laufen. Es befinden sich 75000 Besucher vor der Hauptribüne des Festivals "Rock am Ring". Headliner beim erstmals ausverkaufen Nürnburg-event ist die 
BESTE BAND DER WELT
  1. Encore:
  2. Encore 2:
Minute 37:01 - Intro zu "Rettet die Wahle": 750000 Menschen zählen Bela an, der nicht in den Takt hineinzukommen scheint.
Minute 1:04 - Farin Urlaub arbeitet konzentriert und genau darauf hin, dass Publikum zu überfordern.
Artikel aus der "Ampya" über das Konzert der
BESTEN BAND DER WELT

Folgende Musikformationen treten 2014 bei 
Rock am Ring
auf:
Alligatoah, Alter Bridge, Avenged Sevenfold, Babyshambles, Booka Shade, Die Fantastischen Vier, Fall Out Boy, Ghost, Gogol Bordello, Gojira, Heaven Shall Burn, In Extremo, In Flames, Iron Maiden, Jake Bugg, Jan Delay & Disko No. 1, John Newman, Kings Of Leon, Klangkarussell Live, Kvelertak, Left Boy, Linkin Park, Mando Diao, Marteria, Mastodon, Maximo Park, Metallica, Milky Chance, Nine Inch Nails, Of Mice & Men, Opeth, Portugal. The Man, Queens Of The Stone Age, Rob Zombie, Rudimental, SDP, Sierra Kidd, Slayer, Suicide Silence, Teesy, The Offspring

Montag, 13. Januar 2014

DOOM

Ein Theaterstück, kein Computerspiel

Zugang zum Haus abgesperrt, bullige Wachmänner an der Tür...
Endlich geht's rein. Drinnen ist alles mit Folie ausgelegt. Getränke gibt es - jedoch nur unter den Augen des Wachpersonals. Noch einmal auf den "Abort" und dann geht es durch einen mit Folien ausgegleiteten Gang, der einer Schleuse zwischen zwei Raumschiffen gleicht, in den Empfangsraum des Hausherren Wilhelm Tietz. 

"Da sprach das WSN zu WILHELM TIETZ: Das Ende allen Fleisches ist bei mir beschlossen, denn die Erde ist voller Frevel von ihnen; und siehe, ich will sie verderben mit der Erde."

Die Verdorbenen der Erde, also wir, sind gekommen, um den Verkünder des WSNs zu treffen. Die letzte Ankündigung durch einen Mann, der sich als "BETA" vorstellt, die letzten Anweisungen....

Jetzt soll er kommen....

Ekstatischer Applaus beim Auftritt des Propheten ALPHA (Wilhelm Tietz), des Mannes, der sich rühmt, DELTA und GAMMA gezeugt zu haben. Desinfektion der Hände, spirituelle Reinigung des Kellergewölbes, dann dürfen wir hinein in den "KASTEN VON BETON". Hier werden wir Δ und γ zum ersten Mal mit eigenen Augen sehen. Niemanden ist es dies zuvor gelungen. 
Rückblick: Nach dem Bericht über die Folterhaft dreier unschuldiger Frauen im Keller eines Londoner Hauses, erschütterte dieser Skandal vor wenigen Wochen unser Land:


Wilhelm Tietz wird uns nun seine Kinder zeigen. Für sie baute er diesen "KASTEN VON BETON". Im Beipackzettel, am Eingang ausgehangen, hatten wir Folgendes lesen können:

"Mache Dir einen KASTEN VON BETON und mache einen RAUM darin und verpiche ihn mit Kunststoff innen und außen. Und mache ihn so: 10 Ellen sei die Länge, 6 Ellen die Breite und 6 Ellen die Höhe."

Das WSN hat über WILHELM TIETZ Kontakt zu uns aufgenommen. DELTA und GAMMA sind in diesem Raum. Ist es nicht unsere einzige Rettung, sie kenenzulernen? Wir müssen uns zur Anhängerschaft des WSNs bekehren, denn furchtbar sind uns die beim Bier an der Theke durch Flyer übermittelten Prophezeiungen an Wilhelm Tietz vom Ende aller Zeit in Erinnerung:

"Denn siehe, ich will eine Sinflut  kommen lassen auf Erden, zu verderben alles Fleisch, darin Odem des Lebens ist, unter dem Himmel. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen, und du sollst in den Raum gehen mit deinen Kindern, DELTA und GAMMA."

Und hier sind wir nun. Der eine Mohrrübe kauende bullige Türsteher verschließt den KASTEN VON BETON hinter uns. Jetzt geht es los....

Das Theaterstück "DOOM" ist eine Produktion des ADOLESK Theaterkollektivs. Am 9. Januar 2014 feierte es seine Premiere im Kölner Stadtteil Kalk